Besuch Ferdinands 1861
(…) In dieser Arbeitsjare brachte der Besuch meines Bruders
Ferdinand in Jahre 1861, eine erfreuliche Episode. Es waren fünfzehn Jare seit
unserer Trennung verstrichen & als ich ihn in Prag jest in mein Zimmer eintreten
sah, könnte ich in den bärtigen, breitschultrigen Mann, mit den feurig
blikenden Augen, & der arabisch gebräunten Gesichtsfarbe & Händen, nur
mühsam & allmälig das Bild des jung verreisten Bruders wiederfinden. Wir
brachten in Hlubosch mit ihm eine frohe Zeit zu. Sein Wunsch Hochwild zu jagen,
fand Erfüllung in einer Einladung zu Jagdgesellschaft des Fürsten Colloredo in Dobrzisch
& einer anderen, in die entlegenen Teile der Kurfürstlich Forsowizer Forste.
Wie bewunderte er diese Säulenhallen von Nadelholz im Vergleich zu den
Brasilianer Urwäldern, wo man nur, mit Jagdmesser in der Hand, sich Schritt für
Schritt durchs Dickicht der Schlingpflanzen durchhauen muss & wo sogar die
Strasse so schmal ist, dass des Reiters Füsse im Gebüsch streifen. Von Wagen
ist gar keine Rede. Hätte ich nur ein Stükchen von Euren herrlichen Strassen! seufzte
er, um meine Produktenreichtümer wegzubringen, die jezt um mich her nuzlos
verfaulen. Aber auf den holprigen Wald- & Hohlwegen wars ihm dann wieder
ganz unbehaglich. Tollkühner Reiter durch Dik & Dünn, im Urwald mit dem
Pferd über gestürzte Riesenstämme hinüberrutschend & gefärliche Sümpfe
durchwatend, war ihm das Neigen & Hängen des Wagens beunruhigend.
Drei Kinder von ihm warteten seiner Rükkehr in die Schweiz,
wo er sie in Pension gab, um sie besser zu erziehn, als es in Brasilien möglich
war. Die Hize unsres Augustes war ihm drükender als die Brasilianische Sommer,
mit seiner feuchten Atmosfäre, in den luftigen Wonungen ohne Plafond, mit
weiten Verandahs & stetes offenen Fernstern & Thüren. In den
Bergkonzerten von Przibram, wo ich als einstiger Bergbaufreund mit den Bergbeamten
verkerte & auch die Nachbarschaft zusammenkam, machte seine kräftige & elegante,
weissgekleidete Erscheinung recht gute Figur & seine Heiterkeit,
Höflichkeit & Mitteilsamkeit gewann ihm Beifall.
Erzherzog Maximilian, welcher ihn einst auf seiner Pflanzung besucht & in sehr gutem Andenken behalten hatte, wollte bei seiner damaligen Rükkehr
nach Europa persönlich meinen Vater auf dem Land in Böhmen aufsuchen, um ihn
Nachrichten von Ferdinand zu bringen & liess seinen Besuch in Tloskau
ansagen. Leider war mein Vater damals nicht in Böhmen & so brachte nur der
Adjudant Graf Bombelles die Brasilianer Nachrichten im Namen des Erzherzogs meiner
in Prag befindlichen Gemalin. Ferdinand hatte dem Erzherzog versprechen müssen,
ihn in Miramar zu besuchen & meldete ihm daher seine Anwesenheit bei mir;
ohne aber darauf Antwort zu erhalten. Er dachte sich vom Erzherzog vergessen,
& reiste als seine für mich bemessene Zeit vorüber war, nach Cöln zum
Besuch seines ehmaligen Regiments & der nachbarlichen Schlösser am Rhein,
wo er vergnügte Tage verlebt hatte. Und jest kam plötzlich Telegramm über
Telegramm vom Erzherzog nach Hlubosch, um Ferdinand nach Wien zu berufen. Seine
Anmeldung war dem Erzherzog nach Belgien nachgeschikt worden & beim
dortigen Gesandten liegen geblieben so dass der Erzherzog sie erst bei seiner
Rükkehr aus England erhielt. Ich reiste nach Wien um dem Erzherzog das
Misverständniss aufzuklären & liess den damals noch viel spärlichern
Telegrafen nach dem Rhein & der Schweiz spielen, um Ferdinand einzufangen.
Er kam auch, nachdem ich die damals noch bestehenden Passschwierigkeiten für
ihn durch Gefälligkeit des Statthalters Baron Kellersberg geordnet; & wir
brachten mit dem Erzherzog, der Ferdinand selbst im Gasthof abholte, einen
interessanten Tag in Schönbrunn, als dessen Gäste zu, während welchen er sich
in Huld erschöpfte & Ferdinand auch der Erzherzogin vorstellte.
In den Schönbrunner Gewächshäusern fand Ferdinand die aus
seinen Pflanzungen & Urwäldern herrürenden Pflanzen wieder; darunter auch
seiner niederträchtigsten Unkräuter, welche aus der für die edlen Pflanzen
mitgenommen Erde als Contrebande ungebeten hervorgekeimt & zu unverdienten
Ehre der kaiserlichen Gewächshäuser vorgerükt waren. Echte parvenus.
Bis an sein Ende blieb der Erzherzog & nachmalige Kaiser
Maximilian in Verker mit Ferdinand; schikte ihm bald schöne Waffen, bald die
neu erfundene Eismaschine, dann seinen Orden & das Anbot einer hervorragenden
Stellung am Hof & im Staat von Mexiko. Aber mit richtigem Blik hatte mein
Bruder, sobald die Mexikanische Kaiserfrage aufgetaucht war, mir schon
geschrieben: Der gute Erzherzog wird doch gewiss nicht die Thorheit begehen,
sich unter dieses Gesindel zu begeben. Und später: Ich denke gar nicht daran,
nach Mexiko zu gehen, um dort nähstens sammt dem Kaiser an die Luft gesezt zu
werden.
Meine Augen hatten sich seit mehrern Jaren waker gehalten
& aller Ermüdung Troz geboten. Mattigkeit & Beklemmungen, die ich
spürte, schrieb ich Unterleibsstokungen zu, da ich oft viele sizende Arbeit
hatte. Ich begleitete Ferdinand von Wien nach Bern, lernte dort seine drei ältesten
Kinder, Amelia, Fernando & Cherubino kennen, die er nach Colombier zur
Erziehung in Pension gab & bald noch den siebenjärigen Alberto allein von
Victoria über die See nachschikte, wärend die drei jüngsten Töchter in
Brasilien bei der Mutter blieben. (…)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen