Mittwoch, 10. August 2016

"Besuch Ferdinands 1861"

Besuch Ferdinands 1861

(…) In dieser Arbeitsjare brachte der Besuch meines Bruders Ferdinand in Jahre 1861, eine erfreuliche Episode. Es waren fünfzehn Jare seit unserer Trennung verstrichen & als ich ihn in Prag jest in mein Zimmer eintreten sah, könnte ich in den bärtigen, breitschultrigen Mann, mit den feurig blikenden Augen, & der arabisch gebräunten Gesichtsfarbe & Händen, nur mühsam & allmälig das Bild des jung verreisten Bruders wiederfinden. Wir brachten in Hlubosch mit ihm eine frohe Zeit zu. Sein Wunsch Hochwild zu jagen, fand Erfüllung in einer Einladung zu Jagdgesellschaft des Fürsten Colloredo in Dobrzisch & einer anderen, in die entlegenen Teile der Kurfürstlich Forsowizer Forste. Wie bewunderte er diese Säulenhallen von Nadelholz im Vergleich zu den Brasilianer Urwäldern, wo man nur, mit Jagdmesser in der Hand, sich Schritt für Schritt durchs Dickicht der Schlingpflanzen durchhauen muss & wo sogar die Strasse so schmal ist, dass des Reiters Füsse im Gebüsch streifen. Von Wagen ist gar keine Rede. Hätte ich nur ein Stükchen von Euren herrlichen Strassen! seufzte er, um meine Produktenreichtümer wegzubringen, die jezt um mich her nuzlos verfaulen. Aber auf den holprigen Wald- & Hohlwegen wars ihm dann wieder ganz unbehaglich. Tollkühner Reiter durch Dik & Dünn, im Urwald mit dem Pferd über gestürzte Riesenstämme hinüberrutschend & gefärliche Sümpfe durchwatend, war ihm das Neigen & Hängen des Wagens beunruhigend.

Drei Kinder von ihm warteten seiner Rükkehr in die Schweiz, wo er sie in Pension gab, um sie besser zu erziehn, als es in Brasilien möglich war. Die Hize unsres Augustes war ihm drükender als die Brasilianische Sommer, mit seiner feuchten Atmosfäre, in den luftigen Wonungen ohne Plafond, mit weiten Verandahs & stetes offenen Fernstern & Thüren. In den Bergkonzerten von Przibram, wo ich als einstiger Bergbaufreund mit den Bergbeamten verkerte & auch die Nachbarschaft zusammenkam, machte seine kräftige & elegante, weissgekleidete Erscheinung recht gute Figur & seine Heiterkeit, Höflichkeit & Mitteilsamkeit gewann ihm Beifall.

Erzherzog Maximilian, welcher ihn einst auf seiner Pflanzung besucht & in sehr gutem Andenken behalten hatte, wollte bei seiner damaligen Rükkehr nach Europa persönlich meinen Vater auf dem Land in Böhmen aufsuchen, um ihn Nachrichten von Ferdinand zu bringen & liess seinen Besuch in Tloskau ansagen. Leider war mein Vater damals nicht in Böhmen & so brachte nur der Adjudant Graf Bombelles die Brasilianer Nachrichten im Namen des Erzherzogs meiner in Prag befindlichen Gemalin. Ferdinand hatte dem Erzherzog versprechen müssen, ihn in Miramar zu besuchen & meldete ihm daher seine Anwesenheit bei mir; ohne aber darauf Antwort zu erhalten. Er dachte sich vom Erzherzog vergessen, & reiste als seine für mich bemessene Zeit vorüber war, nach Cöln zum Besuch seines ehmaligen Regiments & der nachbarlichen Schlösser am Rhein, wo er vergnügte Tage verlebt hatte. Und jest kam plötzlich Telegramm über Telegramm vom Erzherzog nach Hlubosch, um Ferdinand nach Wien zu berufen. Seine Anmeldung war dem Erzherzog nach Belgien nachgeschikt worden & beim dortigen Gesandten liegen geblieben so dass der Erzherzog sie erst bei seiner Rükkehr aus England erhielt. Ich reiste nach Wien um dem Erzherzog das Misverständniss aufzuklären & liess den damals noch viel spärlichern Telegrafen nach dem Rhein & der Schweiz spielen, um Ferdinand einzufangen. Er kam auch, nachdem ich die damals noch bestehenden Passschwierigkeiten für ihn durch Gefälligkeit des Statthalters Baron Kellersberg geordnet; & wir brachten mit dem Erzherzog, der Ferdinand selbst im Gasthof abholte, einen interessanten Tag in Schönbrunn, als dessen Gäste zu, während welchen er sich in Huld erschöpfte & Ferdinand auch der Erzherzogin vorstellte.

In den Schönbrunner Gewächshäusern fand Ferdinand die aus seinen Pflanzungen & Urwäldern herrürenden Pflanzen wieder; darunter auch seiner niederträchtigsten Unkräuter, welche aus der für die edlen Pflanzen mitgenommen Erde als Contrebande ungebeten hervorgekeimt & zu unverdienten Ehre der kaiserlichen Gewächshäuser vorgerükt waren. Echte parvenus.

Bis an sein Ende blieb der Erzherzog & nachmalige Kaiser Maximilian in Verker mit Ferdinand; schikte ihm bald schöne Waffen, bald die neu erfundene Eismaschine, dann seinen Orden & das Anbot einer hervorragenden Stellung am Hof & im Staat von Mexiko. Aber mit richtigem Blik hatte mein Bruder, sobald die Mexikanische Kaiserfrage aufgetaucht war, mir schon geschrieben: Der gute Erzherzog wird doch gewiss nicht die Thorheit begehen, sich unter dieses Gesindel zu begeben. Und später: Ich denke gar nicht daran, nach Mexiko zu gehen, um dort nähstens sammt dem Kaiser an die Luft gesezt zu werden.

Meine Augen hatten sich seit mehrern Jaren waker gehalten & aller Ermüdung Troz geboten. Mattigkeit & Beklemmungen, die ich spürte, schrieb ich Unterleibsstokungen zu, da ich oft viele sizende Arbeit hatte. Ich begleitete Ferdinand von Wien nach Bern, lernte dort seine drei ältesten Kinder, Amelia, Fernando & Cherubino kennen, die er nach Colombier zur Erziehung in Pension gab & bald noch den siebenjärigen Alberto allein von Victoria über die See nachschikte, wärend die drei jüngsten Töchter in Brasilien bei der Mutter blieben. (…)


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