Freitag, 5. August 2016

07/11/1863 (Albert)

Victoria den 7 November 1863.

[A.    S. - Allerlei]


Lieber Albert

Unsere Briefe kreuzen sich immer; ein Zeichen von gegenseitiger Anziehungskraft, die bis zur Mitte des Ozeans wirkt, worauf beide Briefe, wie Pendel, durch den gegebenen Impuls weiter fliegen, an den Ort ihre Bestimmung.

Du siehst in mir einen furibunden angehenden Baumwollmagnaten. Seit sechs Monathen beschäftige ich mich fast außschließlich mit diesem edeln Gewächs, & wenn ich Glück damit habe setze ich mir statt des Lorbeerkranzes eine kolossale baumwollne Michelmütze auf, & schicke Dir mein Porträt in diesem Ornat, der mir jedenfalls ein höchst würdevolles Ansehn giebt, namentlich wenn Du bedenkst, daß unter besagter Krone nur Augen & Nasenspitze sichtbar sind, & der Rest meiner werthen Person, von da ab bis in die Magengegend einzig durch einen wilden Anachoreten Bart repräsentirt wird; dieser soll nicht angetastet werden bevor ich den Fuß auf europäischen Boden setze. – Um von meiner eigenen Wolle auf die Baumwolle zurückzukommen, kann ich Dir nur sagen daß dies edle Gewächs hier ausgezeichnet gut kömt, sowohl die arborea als die herbacea, ein seltenes Privilegium, das nur einige Gegenden in Mitte des Urwalds zwischen den 12o Breite, genießen. Ich habe also wie verteufelt Baumwolle gepflanzt, welche bis jetzt prachtvoll gedeiht &, bei den fabelhaften Preisen von über 200 francs der Centner eine mir Gold lächelnde Perspektive eröffnet. Aber siehe da! Was geschieh:

                Es gleicht mein Herz dem grauen Freunde,
                Der zwischen zwei Gebündel Heu
                Nachsinnend steht, was von den beiden
                Das allerbeste Futter sei.

Der Cafe hat mich traktirt wie ein kokettes Weib einen sentimentalen Jüngling traktirt. Sieben Jahre bin ich vor dieser ersten Liebe auf den Knien gelegen, habe gefleht & gebethen, aber umsonst; obwol ich Alles opferte; jetzt daß ich mich um keinen Caffe mehr kümmere & meine sämtlichen Huldigungen auf den baumwollenen Altar deponire, läuft mir besagte Cokette nach, & droht mich mitsamt ihrer Rivalin Baumwolle, mit welcher ich gegenwärtig liebäugele, zu ersticken. Nachdem ich meine verunglückten Cafebäume dem Boden gleich abgeschnitten & den ganzen Wald herum in Brand gesteckt habe, sind sie wieder ausgezeichnet gut gekommen, haben ungeheuer angesetzt, drohen die dazwischen gepflanzte Baumwolle zu vernichten, & versprechen mir eine Erndte so groß, daß ich wahrscheinlich die Hälfte davon verlieren werde. Dazu handelt es sich um die Frage; welchen von beiden ausrotten – Cafe oder Baumwolle; denn sie stehn viel zu dicht, & einer von Beiden muß fort:

                               Die Moral von der Geschicht:
                               Traut keinen bösen Zeiten nicht.

Ich bin höchst vergnügt; denn lieber etliche hundert Centner Cafe & Baumwolle im Schlamm zu Grunde gehn sehn, als gar nichts zu erndten haben, wie ich seit vielen Jahren das Vergnügen habe es zu experimentiren.

Aber ich bin ein schrecklicher Egoist & schreibe nur über Das was mir Tag & Nacht im Kopf herumtrabt, ohne an Andere zu denken. – – Und da wir eben von Landwirthschaft sprechen, gratulire ich zu Deinen 9 ¾ M liefernden Schaafen, mit dem Bemerken daß ich die guten Thiere keineswegs um ihr (wenn auch nicht goldenes) Fließ beneide, bei dessen bloßer Gedanke, ihn auf dem eigenen Körper zu tragen, der Schweiß mir von der Stirne rinnt. - Und doch haben wir hier ungeheure Kälte gehabt; oft bei Sonnenaufgang 12o R. & um Mittag kaum 19o. – Meine europäische Garderobe, wegen welcher auch der Erzherzog Max in Schönbrunn verhöhnte, & die ich hier nur als Reliquie aufbewahrte, kahm mir bei dieser gräßlichen Kälte trefflich zu Statten.

A propos! was unsern lieben Erzherzog betrifft, so scheint es wirklich noch so weit kommen zu wollen, daß man ihm die Mexicanische Kaiserwürde aufpackt. Doch halte ich ihn für zu vernünftig um einen Thron à la Soulouque vom Erzfeinde des Hauses Habsburg, als Almosen anzunehmen, um dort, unter französischem Protektorat & Bayonetten die traurige Rolle eines Steuereinnehmers zur Tilgung der französischen Schuld zu übernehmen. – Mich würde so etwas empören.

Eure europäischen politischen Angelegenheiten kenne ich so ziemlich aus den Zeitungen, & beneide Europa keineswegs um den allgemeinen Spektakel der dort bald losgehn wird: politisch & social. – Hier haben wir allerdings auch noch eine harte Nuß zu brechen; die Sklavenfrage, für welche die Vereinigten Staaten jetzt in Flammen stehn. Aber ich bin überzeugt die Frage wird sich ganz gemüthlich lösen, denn hier macht es viel zu warm um in großen Eifer zu gerathen & um energische Handlungen zu vollbringen.

Mir geht es, seit dem ich bei einem zweiten Aklimatisationsprozeß 1862, beinahe ins Jenseits gereist wäre, ganz vortrefflich; ich erfreue mich einer bombenfesten Gesundheit & es thut mir wirklich leid dieselbe nicht mit Dir theilen zu können; ganz besonders die Augen. Du armer Albert! warum komst Du nicht her eine Urwaldskur zu versuchen. Wärme & Feuchtigkeit thun Dir gut: nun erstere fehlt hier nicht & was die zweite betrifft, so kommst Du ein par blankgewichste Stiefel am Morgen anziehn, & dieselben gegen Abend mit der üppigsten Vegetation von Schimmel ausziehn, selbst ohne daß es regnet. – Wer weiß ob wir uns nicht noch einmal unter den Tropen begegnen. Elise schwärmt gleichfalls für diese Idee. Und ich fürchte nur daß meine liebe Schwägerin Alexandrine mit Entsetzen an ein so gräuliches Land denkt.

Was man über Negeremanzipation in Europa spricht ist erdichtet & von Negrophilen Narren in die Luft geworfenes Gewäsch. Die guten Leute müßten den Sklaven, außer der gepriesenen Freiheit, noch wöchentlich so & so viel Pfund gutes Rindfleisch, Bohnen, Mais, Reis, Speck ect geben; dazu gute Kleider & Wohnung, ärztliche Behandlung, Schnaps & jene vollkomene Sorglosigkeit & Seelenruhe, die hier auf Erden nur der brasilianische Sklave, der auf den Pflanzungen arbeitet, kennt; eben weil sein Herr für Alles Alles sorgt & den nöthigen Bedürfnißen zuvorkommt. Denn jeder tüchtige Pflanzer sieht vor allem Andern darauf, daß seine Neger lustig & zufrieden sind, & sämtliche Rücksichten müßen diesem ersten Erforderniß weichen. Allerdings wird die Zeit kommen (& wenn im amerikanischen Krieg die nordlichen Staaten siegen) sehr bald kommen, wo man den Negern demonstriren wird, daß wenn sie keine Herrn mehr haben, sie selbst über die gefüllten Truhen, Speicher & das fette Vieh herfallen können. Daß, die Truhen ein mal leer & die Weide unbevölkert, Niemand diesen Mangel ersetzen wird, werden sich natürlich die Freiheitsmissionäre hüten ihren Alumnen zu sagen. Leidenschaften erwecken – das ist die ganze Theorie der sogenannten Freiheitskämpfer, denn Leidenschaft macht blind, & ein blinder Mann läßt sich gut leiten.

Sobald ich in etwas guten Umständen sein werde gedenke ich einige europäische Arbeiter zu arrangiren, namentlich Slawen: seis Böhmen, Ungern, Slovaken ect. & dabei mußt Du & der Erzherzog Max (bis dahin vielleicht Montezuma II) mir behülflich sein. Damit, wenn die Negeremanzipation mich plötzlich überrumpelt, ich mit meinen großen Pflanzungen nicht auf dem Trocknen sitze. – Hoffentlich sehn wir uns aber noch zuvor.

Meine Baumwollenpflanzungen absorbiren jetzt meine ganze Zeit, um so mehr als ich davon gerade so viel verstehe als von Hebräisch & Chaldäisch; da wird natürlich viel schlechte & viel unnütze Arbeit gemacht. Aber in einem Land das noch in Kindesalter ist, geht es einmal nicht anders. Ein jeder macht die Sachen wie sie ihm von der momentanen Inspiration eingegeben werden; gelingt es, - gut; gelingt es nicht, - so versucht man auf eine andere Weise. Und so wechselt eine Generation mit der andern ohne daß ihre Erfahrung & ihre Kenntniß der nachfolgenden zu gute kömmt. Das Wenige, das ein Jeder gelernt nimmt er mit sich ins Grab. Allerdings findet man in den Buchhandlungen Traktätchen über Baumwollen – ‘, Cafe-Indigo – ect. Cultur; aber auf den ersten Blick merkt man, daß sie von einem gemüthlichen Stubengelehrten, der oft nicht das über Weichbild seiner deutschen oder französischen Vaterstat hinausgekommen ist, geschrieben sind.

Was macht das Schloß Hlubosch mit allem was dazu gehört; wie gute Zeiten habe ich dort verlebt! & die famose Przibramer Musik; & der junge Hirsch; & die herrlichen Ruinen von Waldeck’ & Febrac! (oder wie sie auf böhmisch heißt) Könntest Du mich doch auch einmal besuchen, in meiner urwäldlichen Residenz! Berti also erlaubt sich hin & wieder krank zu sein, letzthin sogar ziemlich ernstlich; gut daß es gnädig abgelaufen ist. Er muß schon so halb & halb in die Flegeljahre hineingerathen; erinnert er sich noch an mich? Sein vollständiger Namensvetter soll nächsten April übers Meer nach Colombier zu seinen Geschwistern [A. S. – Ferdinands 3. Sohn Alberto]. Dies Mal kann ich leider nicht mit, sondern muß ihn ganz einfach als Waare spediren & nur meine Wünsche mit reisen lassen. – Du Glücklicher, Du kennst all die Sorge & Qual nicht, die einem so eine Legion Kinder verursachen, besonders in einem Land wie Brasilien, wo an eine vernünftige Erziehung gar nicht zu denken ist, & man sie sämtlich weit fort übers Weltmeer schicken muß. Und wenn sie zurück kommen finden sie sich fremd (…) in der neuen Heimath, & machen den Eltern stille Vorwürfe weil sie sie nicht lieber gleich von Anfang an in diesem materiellen, etwas gemeinen, Leben haben aufwachsen lassen; anstatt sie mit Bildung & Civilisation bekannt zu machen, um ihnen plötzlich deren Genuß zu entziehn. Wenigstens sieht man hier sehr viele Beispiele davon. Enfin, fais ce que pourras, advienne ce qui voudra.

Deine Augen machen Dir noch immer viel zu schaffen, wie Du mir schreibst; das ist wirklich eine traurige Sache; hoffentlich wird es nie schlimmer werden als es bis zu deinem 40ten Lebensjahr geworden ist. Ja wir werden bemooste Häupter! wie die Zeit doch vergeht!

Was macht meine liebe Schwägerin Alexandrine? jedenfalls ist sie immer noch gleich fröhlich & liebenswürdig. Indem ich euch schreibe, liegt Eure Photographie vor mir auf dem Tisch, um ihr von Zeit zu Zeit frohe oder sehnsüchtige Blicke senden zu können, & manchmal scheint mir als ob einer oder der andere auf dem Bild dieselben erwiderte. Und Deine Schwiegermutter? Niemand kann sie sehn ohne sie gleich lieb zu gewinnen; sage ihr daß ich oft an sie denke & meine besten Empfehlungen sende. Grüße gleichfalls Deine Schwäger, bekannte & unbekannte, von mir. – Meine Frau grüßt Euch von ganzen Herzen & bedauert daß so wenig Aussichten vorhanden sind Euch kennen zu lernen: denn beide können wir unmöglich von der Pflanzung fort & daß sie allein, ohne mich, eine Reise nach Europa unternimmt wird ihr niemand zumuthen. Wenn einmal einer meiner Jungen meine Stelle auf einige Zeit einnehmen kann, dann erscheine ich mit meiner Frau als ein fossiles Pärchen, in Eisbärenlivree.

Bis dahin Geduld, & einen recht herzlichen Gruß für Dich, Deine Frau & Deinen Sohn.

                                                               Dein treuer Bruder Ferdinand.

Grüße Peche, Wrazda & sämtliche Bekannte, die schöne Prager Brücke nicht zu vergessen.
 







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