Victoria den 7 November 1863.
[A. S. - Allerlei]
Lieber Albert
Unsere Briefe kreuzen sich immer; ein Zeichen von
gegenseitiger Anziehungskraft, die bis zur Mitte des Ozeans wirkt, worauf beide
Briefe, wie Pendel, durch den gegebenen Impuls weiter fliegen, an den Ort ihre
Bestimmung.
Du siehst in mir einen furibunden angehenden
Baumwollmagnaten. Seit sechs Monathen
beschäftige ich mich fast außschließlich mit diesem edeln Gewächs, & wenn
ich Glück damit habe setze ich mir statt des Lorbeerkranzes eine kolossale baumwollne
Michelmütze auf, & schicke Dir mein Porträt in diesem Ornat, der mir
jedenfalls ein höchst würdevolles Ansehn giebt, namentlich wenn Du bedenkst, daß
unter besagter Krone nur Augen & Nasenspitze sichtbar sind, & der Rest
meiner werthen Person, von da ab bis in die Magengegend einzig durch einen
wilden Anachoreten Bart repräsentirt wird; dieser soll nicht angetastet werden
bevor ich den Fuß auf europäischen Boden setze. – Um von meiner eigenen Wolle
auf die Baumwolle zurückzukommen, kann ich Dir nur sagen daß dies edle Gewächs
hier ausgezeichnet gut kömt, sowohl die arborea
als die herbacea, ein seltenes
Privilegium, das nur einige Gegenden in Mitte des Urwalds zwischen den 12o
Breite, genießen. Ich habe also wie verteufelt Baumwolle gepflanzt, welche bis
jetzt prachtvoll gedeiht &, bei den fabelhaften Preisen von über 200 francs der Centner eine mir Gold
lächelnde Perspektive eröffnet. Aber siehe da! Was geschieh:
Es
gleicht mein Herz dem grauen Freunde,
Der
zwischen zwei Gebündel Heu
Nachsinnend
steht, was von den beiden
Das
allerbeste Futter sei.
Der Cafe hat mich traktirt wie ein kokettes Weib einen
sentimentalen Jüngling traktirt. Sieben Jahre bin ich vor dieser ersten Liebe
auf den Knien gelegen, habe gefleht & gebethen, aber umsonst; obwol ich
Alles opferte; jetzt daß ich mich um keinen Caffe mehr kümmere & meine
sämtlichen Huldigungen auf den baumwollenen Altar deponire, läuft mir besagte
Cokette nach, & droht mich mitsamt ihrer Rivalin Baumwolle, mit welcher ich
gegenwärtig liebäugele, zu ersticken. Nachdem ich meine verunglückten Cafebäume
dem Boden gleich abgeschnitten & den ganzen Wald herum in Brand gesteckt habe, sind sie wieder ausgezeichnet gut gekommen, haben ungeheuer angesetzt,
drohen die dazwischen gepflanzte Baumwolle zu vernichten, & versprechen mir
eine Erndte so groß, daß ich wahrscheinlich die Hälfte davon verlieren werde.
Dazu handelt es sich um die Frage; welchen von beiden ausrotten – Cafe oder
Baumwolle; denn sie stehn viel zu dicht, & einer von Beiden muß fort:
Die
Moral von der Geschicht:
Traut
keinen bösen Zeiten nicht.
Ich bin höchst vergnügt; denn lieber etliche hundert Centner
Cafe & Baumwolle im Schlamm zu Grunde gehn sehn, als gar nichts zu erndten
haben, wie ich seit vielen Jahren das Vergnügen habe es zu experimentiren.
Aber ich bin ein schrecklicher Egoist & schreibe nur
über Das was mir Tag & Nacht im Kopf herumtrabt, ohne an Andere zu
denken. – – Und da wir eben von Landwirthschaft sprechen, gratulire ich zu Deinen 9 ¾ M liefernden Schaafen, mit dem Bemerken daß ich die guten Thiere keineswegs um ihr (wenn auch nicht goldenes) Fließ beneide, bei dessen bloßer Gedanke, ihn auf dem eigenen Körper zu tragen, der Schweiß mir von der Stirne rinnt. - Und doch haben wir hier ungeheure Kälte gehabt; oft bei Sonnenaufgang 12o R. & um Mittag kaum 19o. – Meine europäische Garderobe,
wegen welcher auch der Erzherzog Max in Schönbrunn verhöhnte, & die ich
hier nur als Reliquie aufbewahrte, kahm mir bei dieser gräßlichen Kälte
trefflich zu Statten.
A propos! was unsern
lieben Erzherzog betrifft, so scheint es wirklich noch so weit kommen zu
wollen, daß man ihm die Mexicanische
Kaiserwürde aufpackt. Doch halte ich ihn für zu vernünftig um einen Thron à la Soulouque vom Erzfeinde des Hauses
Habsburg, als Almosen anzunehmen, um dort, unter französischem Protektorat
& Bayonetten die traurige Rolle eines Steuereinnehmers zur Tilgung der
französischen Schuld zu übernehmen. – Mich würde so etwas empören.
Eure europäischen politischen Angelegenheiten kenne ich so
ziemlich aus den Zeitungen, & beneide Europa keineswegs um den allgemeinen
Spektakel der dort bald losgehn wird: politisch & social. – Hier haben wir
allerdings auch noch eine harte Nuß zu brechen; die Sklavenfrage, für welche
die Vereinigten Staaten jetzt in Flammen stehn. Aber ich bin überzeugt die
Frage wird sich ganz gemüthlich lösen, denn hier macht es viel zu warm um in
großen Eifer zu gerathen & um energische Handlungen zu vollbringen.
Mir geht es, seit dem ich bei einem zweiten Aklimatisationsprozeß
1862, beinahe ins Jenseits gereist wäre, ganz vortrefflich; ich erfreue mich
einer bombenfesten Gesundheit & es thut mir wirklich leid dieselbe nicht
mit Dir theilen zu können; ganz besonders die Augen. Du armer Albert! warum komst
Du nicht her eine Urwaldskur zu versuchen. Wärme & Feuchtigkeit thun Dir
gut: nun erstere fehlt hier nicht & was die zweite betrifft, so kommst Du
ein par blankgewichste Stiefel am Morgen anziehn, & dieselben gegen Abend
mit der üppigsten Vegetation von Schimmel ausziehn, selbst ohne daß es regnet. –
Wer weiß ob wir uns nicht noch einmal unter den Tropen begegnen. Elise schwärmt
gleichfalls für diese Idee. Und ich fürchte nur daß meine liebe Schwägerin Alexandrine mit Entsetzen an ein so
gräuliches Land denkt.
Was man über Negeremanzipation in Europa spricht ist
erdichtet & von Negrophilen Narren in die Luft geworfenes Gewäsch. Die
guten Leute müßten den Sklaven, außer der gepriesenen Freiheit, noch wöchentlich
so & so viel Pfund gutes Rindfleisch, Bohnen, Mais, Reis, Speck ect geben;
dazu gute Kleider & Wohnung, ärztliche Behandlung, Schnaps & jene
vollkomene Sorglosigkeit & Seelenruhe, die hier auf Erden nur der
brasilianische Sklave, der auf den Pflanzungen arbeitet, kennt; eben weil sein
Herr für Alles Alles sorgt & den nöthigen Bedürfnißen zuvorkommt. Denn jeder
tüchtige Pflanzer sieht vor allem Andern darauf, daß seine Neger lustig &
zufrieden sind, & sämtliche Rücksichten müßen diesem ersten Erforderniß
weichen. Allerdings wird die Zeit kommen (& wenn im amerikanischen Krieg
die nordlichen Staaten siegen) sehr bald kommen, wo man den Negern demonstriren
wird, daß wenn sie keine Herrn mehr haben, sie selbst über die gefüllten
Truhen, Speicher & das fette Vieh herfallen können. Daß, die Truhen ein mal
leer & die Weide unbevölkert, Niemand diesen Mangel ersetzen wird, werden
sich natürlich die Freiheitsmissionäre hüten ihren Alumnen zu sagen. Leidenschaften
erwecken – das ist die ganze Theorie der sogenannten Freiheitskämpfer, denn
Leidenschaft macht blind, & ein blinder Mann läßt sich gut leiten.
Sobald ich in etwas guten Umständen sein werde gedenke ich
einige europäische Arbeiter zu arrangiren, namentlich Slawen: seis Böhmen,
Ungern, Slovaken ect. & dabei mußt Du & der Erzherzog Max (bis dahin vielleicht Montezuma II) mir behülflich sein.
Damit, wenn die Negeremanzipation mich plötzlich überrumpelt, ich mit meinen großen
Pflanzungen nicht auf dem Trocknen sitze. – Hoffentlich sehn wir uns aber noch
zuvor.
Meine Baumwollenpflanzungen absorbiren jetzt meine ganze
Zeit, um so mehr als ich davon gerade so viel verstehe als von Hebräisch &
Chaldäisch; da wird natürlich viel schlechte & viel unnütze Arbeit gemacht.
Aber in einem Land das noch in Kindesalter ist, geht es einmal nicht anders. Ein
jeder macht die Sachen wie sie ihm von der momentanen Inspiration eingegeben
werden; gelingt es, - gut; gelingt es nicht, - so versucht man auf eine andere
Weise. Und so wechselt eine Generation mit der andern ohne daß ihre Erfahrung
& ihre Kenntniß der nachfolgenden zu gute kömmt. Das Wenige, das ein Jeder
gelernt nimmt er mit sich ins Grab. Allerdings findet man in den Buchhandlungen
Traktätchen über Baumwollen – ‘, Cafe-Indigo – ect. Cultur; aber auf den ersten
Blick merkt man, daß sie von einem gemüthlichen Stubengelehrten, der oft nicht
das über Weichbild seiner deutschen oder französischen Vaterstat hinausgekommen
ist, geschrieben sind.
Was macht das Schloß Hlubosch mit allem was dazu gehört; wie
gute Zeiten habe ich dort verlebt! & die famose Przibramer Musik; & der junge Hirsch; & die herrlichen
Ruinen von Waldeck’ & Febrac!
(oder wie sie auf böhmisch heißt) Könntest Du mich doch auch einmal besuchen,
in meiner urwäldlichen Residenz! Berti
also erlaubt sich hin & wieder krank zu sein, letzthin sogar ziemlich ernstlich;
gut daß es gnädig abgelaufen ist. Er muß schon so halb & halb in die
Flegeljahre hineingerathen; erinnert er sich noch an mich? Sein vollständiger
Namensvetter soll nächsten April übers
Meer nach Colombier zu seinen
Geschwistern [A. S. – Ferdinands 3. Sohn
Alberto]. Dies Mal kann ich leider nicht mit, sondern muß ihn ganz einfach
als Waare spediren & nur meine Wünsche mit reisen lassen. – Du Glücklicher,
Du kennst all die Sorge & Qual nicht, die einem so eine Legion Kinder
verursachen, besonders in einem Land wie Brasilien,
wo an eine vernünftige Erziehung gar nicht zu denken ist, & man sie
sämtlich weit fort übers Weltmeer schicken muß. Und wenn sie zurück kommen
finden sie sich fremd (…) in der neuen Heimath, & machen den Eltern stille
Vorwürfe weil sie sie nicht lieber gleich von Anfang an in diesem materiellen,
etwas gemeinen, Leben haben aufwachsen lassen; anstatt sie mit Bildung &
Civilisation bekannt zu machen, um ihnen plötzlich deren Genuß zu entziehn.
Wenigstens sieht man hier sehr viele Beispiele davon. Enfin, fais ce que pourras, advienne ce qui voudra.
Deine Augen machen Dir noch immer viel zu schaffen, wie Du
mir schreibst; das ist wirklich eine traurige Sache; hoffentlich wird es nie
schlimmer werden als es bis zu deinem 40ten Lebensjahr geworden ist. Ja wir
werden bemooste Häupter! wie die Zeit doch vergeht!
Was macht meine liebe Schwägerin Alexandrine? jedenfalls ist
sie immer noch gleich fröhlich & liebenswürdig. Indem ich euch schreibe,
liegt Eure Photographie vor mir auf dem Tisch, um ihr von Zeit zu Zeit frohe
oder sehnsüchtige Blicke senden zu können, & manchmal scheint mir als ob
einer oder der andere auf dem Bild dieselben erwiderte. Und Deine
Schwiegermutter? Niemand kann sie sehn ohne sie gleich lieb zu gewinnen; sage
ihr daß ich oft an sie denke & meine besten Empfehlungen sende. Grüße
gleichfalls Deine Schwäger, bekannte & unbekannte, von mir. – Meine Frau
grüßt Euch von ganzen Herzen & bedauert daß so wenig Aussichten vorhanden sind
Euch kennen zu lernen: denn beide können wir unmöglich von der Pflanzung
fort & daß sie allein, ohne mich, eine Reise nach Europa unternimmt
wird ihr niemand zumuthen. Wenn einmal einer meiner Jungen meine Stelle auf
einige Zeit einnehmen kann, dann erscheine ich mit meiner Frau als ein fossiles
Pärchen, in Eisbärenlivree.
Bis dahin Geduld, & einen recht herzlichen Gruß für
Dich, Deine Frau & Deinen Sohn.
Dein
treuer Bruder Ferdinand.
Grüße Peche, Wrazda & sämtliche Bekannte, die
schöne Prager Brücke nicht zu vergessen.
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