Victoria den 25ten
April 1865
[A. S. - Maximilian / Krieg mit Argentinien]
Lieber Albert
Deinen Brief vom 15ten August aus
Ems datirt habe ich erst ziemlich spät erhalten, & mit großen Bedauern
daraus vernommen daß Du nun am Halse leidest nachdem Du wahrhaftig schon mit
Deinen Augen genug zu thun hast. Selbst Barrelet theilte mir mit es sei ihm
aufgefallen wie Deine Stimme alterirt sei. Hoffen wir daß sich dies Uebel bald
heben wird, denn wir beide haben eine bombenfeste Gesundheit nöthig um unsere
Aufgabe zu lösen; mir fehlt sie nicht; dafür trage ich meinen Tribut an Mißgeschick
in andere Naturalien ab.
Vor wenigen Tagen erhielt ich
endlich einen Brief unseres Vaters, seit 19 Monathen der erste. – Du weißt
schon daß die Geldangelegenheit mit Barrelet erledigt ist ohne daß Du oder
unser Vater sich (…). Mache dir keine grauen Hare wegen Deiner (…) Antwort (…):
ich hatte sie vorausgesehn.
Ich danke dir recht sehr für die
Details die Du mir über meine Kinder in Colombier gibst; natürlich schreibt mir
Barrelet jeden Monath Alles was sie betrifft, aber man ist doch froh auch die
Ansichten Anderer zu hören, besonders die eines Bruders. Cherubino macht mir viel Sorgen; ich hätte fast Lust ihn wieder
nach Brasilien zu bringen. Für Dein freundliches Anerbithen mir, im Falle daß
Cherubinos Kur /meine Finanzen zu sehr (..) würde/, hülfreich die Hand zu
biethen, danke ich einsweilen recht herzlich; /ich sage (…) / sich aber jeden
Augenblick verschlimmern können.
Die große Tagesneuigkeit hier ist
der Schiffbruch des prachtvollen französischen Paquet’s Béarn, das selbe mit welchem ich die Reise hieher &
mein Sohn seine Reise nach Bordeaux
machte. Passagiere & Mannschaft konnten gerettet werden; Alles andere ist
aber verloren & das schöne Schiff, dessen Malerei & Vergoldung allein
300.000 fr. gekostet haben , wurde, samt der Ladung, die auf 1 ½ Millionen fr.
geschätzt wird, für 27.000 fr im öffentlichen Aufstrich verkauft. Leid thut es
mir um den Capitän, der für meinen Sohn äußerst liebreich & väterlich
gesorgt hat. Seit 5 Jahren daß die französischen Paquete fahren ist dies der
zweite Unfall; während den englischen Paqueten, die seit 14 Jahren dieselbe
Tour machen, noch nie das Geringste passirt ist.
Ein anders Ereigniß, das mich
persönlich betrifft & weniger tragischer Natur ist, ist daß Du in mir den
wohlbestallten Cavalliero Official de la Imperial & Distinguida Orden Mexicana de la Guadalupe siehst.
Vorigen Monath erhielt ich mein Diplom vom Kaiser Maximilian ausgefertigt,
so wie das Dekret meiner Ernennung vom Ministerium des Außern; dazu einen
lieben Brief vom Kaiser, der mit den Worten anfängt:
«Mit unendlichem Vergnügungen
erinnere ich mich der unvergeßlichen Tage, die ich auf Ihren Besitzungen
zugebracht habe & übersende Ihnen
hiermit als geringen Beweis meiner wahren Dankbarkeit die Insignien meines
Ordens de la Guadalupe.
Wir beide haben unsere ganze
Zukunft an den amerikanischen Boden gebunden & ich hoffe daß wir es mit
Gottes Hülfe zu bereuen nie Grund haben werden. ect. ect.»
Dann folgt dringende Einladung den
guten Kaiser bald zu besuchen & Erkundigung nach meinen Kindern, deren
Geburtstage er sämtlich kennt. (wenigstens der fünf ältere, die er gesehn hat)
Dies nimmer müde Andenken eines so hoch gestellten Mannes, dessen Augenblicke durch seine kolossale
Aufgabe sämtlich beansprucht sind, hat mich wirklich erfreut & gerührt. Es
würde mich freuen wenn ich ihm in Etwas dienen könnte um nicht undankbarer als
er zu sein. Als schweizerischer Consularagent in Ilhéos befinde ich mich in
Contravention indem ich fremdherrliche Orden annehme; wenn die Confäderation
damit nicht zufrieden ist so ist es mir sehr gleichgültig & sie kann sich
in Corpore zum Teufel scheren. Der einzige Profit den sie mir für meine Würde
gibt sind Auslagen an Zeit & Geld, & Schererei.
Du wirst wissen daß das friedliche
Brasilien in Krieg mit den südlichen Gränznachbarn, den argentinischen
Republicken verwickelt ist: traurig genug für uns Grundbesitzer die wir am Ende
die Kosten bezahlen werden & deren Produkte, in Folge des Stocken auf den
hiesigen Märkten, nicht zu verwerthen sind. Ich glaube das große Kaiserthum
wird sich bald in eine Dutzend unabhängiger Republicken auflösen & nur ein
kleines Kaiserthum in Duodezauflage in Rio behalten. Dabei werden wir natürlich wieder Haare lassen
& froh sein mit einem blauen Auge davon zu kommen.
Was macht Deine liebe Frau, Dein
Berthi & Deine so freundliche Schwiegermutter? Ich hoffe es geht Allen
wohl, & Dein Aufenthalt im Süden gibt Dir wieder Kraft & Gesundheit.
Kämest Du auf ein Semester zu mir ich wette daß Dir das besser bekommen würde
als aller sogenannte südliche Himmel & Doktorirt in euren fossilen Europa.
Es ist hier schauderhaft kalt &
meine Hand zittert fast vor Frost; nur 19o R & doch steht die Sonne noch am
Himmel; dazu pfeift ein unheimlicher Südwind an die ganz ausnahmsweise geschloßenen
Fenster.
Mir & den Meinigen geht es gut,
&, obwol Sorgen & Mühe nicht fehlen lebt man ganz gemüthlich von einem
Tag zum andern. Meine Frau möchte sich gern Europa ansehn & namentlich ihre
Kinder daselbst; aber die Sache ist nicht leicht thunlich so lange nicht einer
von meinen Söhnen groß & erfahren genug ist um die Verwaltung während
unseres Abwesenheit zu übernehmen; & das wird noch lange gehen. Einstweilen
grüßt sie Euch beide recht herzlich, so wie Euren kleinen Sprößling.
Und nun genug für heute. Meinen
wärmsten Gruß an die Deinen.
Dein treuer Bruder
Ferdinand
Abermaliges schauderhaftes Pech!
Meine prachtvollen Baumwollenpflanzungen sind an Zeitraum von 8 Tagen von einer
solchen Menge von Raupen überfallen worden, daß sie total aufgefressen &
vernichtet sind. An 300 Centner Baumwolle in Mist verwandelt! Ich bin krank
davon geworden.
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