Mittwoch, 3. August 2016

25/04/1865 (Albert)

Victoria den 25ten April 1865 

[A. S. - Maximilian / Krieg mit Argentinien]

Lieber Albert

Deinen Brief vom 15ten August aus Ems datirt habe ich erst ziemlich spät erhalten, & mit großen Bedauern daraus vernommen daß Du nun am Halse leidest nachdem Du wahrhaftig schon mit Deinen Augen genug zu thun hast. Selbst Barrelet theilte mir mit es sei ihm aufgefallen wie Deine Stimme alterirt sei. Hoffen wir daß sich dies Uebel bald heben wird, denn wir beide haben eine bombenfeste Gesundheit nöthig um unsere Aufgabe zu lösen; mir fehlt sie nicht; dafür trage ich meinen Tribut an Mißgeschick in andere Naturalien ab.

Vor wenigen Tagen erhielt ich endlich einen Brief unseres Vaters, seit 19 Monathen der erste. – Du weißt schon daß die Geldangelegenheit mit Barrelet erledigt ist ohne daß Du oder unser Vater sich (…). Mache dir keine grauen Hare wegen Deiner (…) Antwort (…): ich hatte sie vorausgesehn.

Ich danke dir recht sehr für die Details die Du mir über meine Kinder in Colombier gibst; natürlich schreibt mir Barrelet jeden Monath Alles was sie betrifft, aber man ist doch froh auch die Ansichten Anderer zu hören, besonders die eines Bruders. Cherubino macht mir viel Sorgen; ich hätte fast Lust ihn wieder nach Brasilien zu bringen. Für Dein freundliches Anerbithen mir, im Falle daß Cherubinos Kur /meine Finanzen zu sehr (..) würde/, hülfreich die Hand zu biethen, danke ich einsweilen recht herzlich; /ich sage (…) / sich aber jeden Augenblick verschlimmern können.

Die große Tagesneuigkeit hier ist der Schiffbruch des prachtvollen französischen Paquet’s Béarn, das selbe mit welchem ich die Reise hieher & mein Sohn seine Reise nach Bordeaux machte. Passagiere & Mannschaft konnten gerettet werden; Alles andere ist aber verloren & das schöne Schiff, dessen Malerei & Vergoldung allein 300.000 fr. gekostet haben , wurde, samt der Ladung, die auf 1 ½ Millionen fr. geschätzt wird, für 27.000 fr im öffentlichen Aufstrich verkauft. Leid thut es mir um den Capitän, der für meinen Sohn äußerst liebreich & väterlich gesorgt hat. Seit 5 Jahren daß die französischen Paquete fahren ist dies der zweite Unfall; während den englischen Paqueten, die seit 14 Jahren dieselbe Tour machen, noch nie das Geringste passirt ist.

Ein anders Ereigniß, das mich persönlich betrifft & weniger tragischer Natur ist, ist daß Du in mir den wohlbestallten Cavalliero Official de la Imperial & Distinguida Orden Mexicana de la Guadalupe siehst. Vorigen Monath erhielt ich mein Diplom vom Kaiser Maximilian ausgefertigt, so wie das Dekret meiner Ernennung vom Ministerium des Außern; dazu einen lieben Brief vom Kaiser, der mit den Worten anfängt:

«Mit unendlichem Vergnügungen erinnere ich mich der unvergeßlichen Tage, die ich auf Ihren Besitzungen zugebracht habe & übersende Ihnen hiermit als geringen Beweis meiner wahren Dankbarkeit die Insignien meines Ordens de la Guadalupe.
Wir beide haben unsere ganze Zukunft an den amerikanischen Boden gebunden & ich hoffe daß wir es mit Gottes Hülfe zu bereuen nie Grund haben werden. ect. ect.»

Dann folgt dringende Einladung den guten Kaiser bald zu besuchen & Erkundigung nach meinen Kindern, deren Geburtstage er sämtlich kennt. (wenigstens der fünf ältere, die er gesehn hat)

Dies nimmer müde Andenken eines so hoch gestellten Mannes, dessen Augenblicke durch seine kolossale Aufgabe sämtlich beansprucht sind, hat mich wirklich erfreut & gerührt. Es würde mich freuen wenn ich ihm in Etwas dienen könnte um nicht undankbarer als er zu sein. Als schweizerischer Consularagent in Ilhéos befinde ich mich in Contravention indem ich fremdherrliche Orden annehme; wenn die Confäderation damit nicht zufrieden ist so ist es mir sehr gleichgültig & sie kann sich in Corpore zum Teufel scheren. Der einzige Profit den sie mir für meine Würde gibt sind Auslagen an Zeit & Geld, & Schererei.

Du wirst wissen daß das friedliche Brasilien in Krieg mit den südlichen Gränznachbarn, den argentinischen Republicken verwickelt ist: traurig genug für uns Grundbesitzer die wir am Ende die Kosten bezahlen werden & deren Produkte, in Folge des Stocken auf den hiesigen Märkten, nicht zu verwerthen sind. Ich glaube das große Kaiserthum wird sich bald in eine Dutzend unabhängiger Republicken auflösen & nur ein kleines Kaiserthum in Duodezauflage in Rio behalten.  Dabei werden wir natürlich wieder Haare lassen & froh sein mit einem blauen Auge davon zu kommen.

Was macht Deine liebe Frau, Dein Berthi & Deine so freundliche Schwiegermutter? Ich hoffe es geht Allen wohl, & Dein Aufenthalt im Süden gibt Dir wieder Kraft & Gesundheit. Kämest Du auf ein Semester zu mir ich wette daß Dir das besser bekommen würde als aller sogenannte südliche Himmel & Doktorirt in euren fossilen Europa.

Es ist hier schauderhaft kalt & meine Hand zittert fast vor Frost; nur 19o R & doch steht die Sonne noch am Himmel; dazu pfeift ein unheimlicher Südwind an die ganz ausnahmsweise geschloßenen Fenster.

Mir & den Meinigen geht es gut, &, obwol Sorgen & Mühe nicht fehlen lebt man ganz gemüthlich von einem Tag zum andern. Meine Frau möchte sich gern Europa ansehn & namentlich ihre Kinder daselbst; aber die Sache ist nicht leicht thunlich so lange nicht einer von meinen Söhnen groß & erfahren genug ist um die Verwaltung während unseres Abwesenheit zu übernehmen; & das wird noch lange gehen. Einstweilen grüßt sie Euch beide recht herzlich, so wie Euren kleinen Sprößling.

Und nun genug für heute. Meinen wärmsten Gruß an die Deinen.

Dein treuer Bruder

Ferdinand

Abermaliges schauderhaftes Pech! Meine prachtvollen Baumwollenpflanzungen sind an Zeitraum von 8 Tagen von einer solchen Menge von Raupen überfallen worden, daß sie total aufgefressen & vernichtet sind. An 300 Centner Baumwolle in Mist verwandelt! Ich bin krank davon geworden.



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